28 August 2013

Gedanken zwischen Feucht- und Mordgebieten

Der Vollmond in Jena hat mich mal wieder ins Kino getrieben: Feuchtgebiete. Mein Augenmerk liegt aber eher derzeit auf Feuchtgebieten an Saale, Ilm und Unstrut. Die stimmen mich als Reisenden froh. Daneben beschäftigt mich - wie Millionen Menschen - die Mordgebiete im Maghreb. 


Die DDR hat den Jen-Tower sehr zum Ärgernis älterer Einwohner auf den zentralen Stadtplatz in Jena geklotzt. Da steht er nun als Kongress-Center. Vom Jenzig, dem 384 Meter hohen Muschelkalk-Gelände auf der anderen Saale-Seite, blickt man auf Jena mit dem Jen-Tower.


Thüringen, das als "Grünes Herz Deutschlands" beworben wird, zeigt sich im Saale-Tal von seiner schönsten Seite. Aus Muschelkalk erheben sich Hügel an den Ufern der Saale, an deren Hängen sich Wein und Sekt wie von Rotkäppchen gewinnen lassen.



Die in den 68er-Jahren aus der SPD ausgestoßene linke Studentenorganisation SDS hat ein Revival erlebt. Auf meinem Sonntagsspaziergang auf den Jenzig fällt mir dieses Plakat auf.


Damit den Wanderer beim Frühschoppen im Jenzig-Wirtshaus kein schlechtes Gewissen plagt, nimmt dieser Sinnspruch seine Sorgen.


Immer wieder der Blick auf Jena mit dem unübersehbaren Jen-Tower.

 
Das Stadtmuseum von Jena zeigt die bewegte Geschichte der Gegend, welche schon in steinzeitlichen Zeiten besiedelt war. Der Sieg Napoleons über die Preußen 1806 bei Jena und Auerstedt metzelte 35.000 Soldaten. Derzeit macht sich die "Gruppe der Guten" wieder auf, gegen eine neue "Achse des Bösen" für den Kampf sich zu rüsten. Mir wird das Mord-Metzeln im Maghreb oder sonstwo zunehmend gleichgültig. Es interessiert mich ebenso wenig, wie Feuchtgebiete befruchtungsbereiter Damen, die die Medien in epischer Eindringlichkeit mit allem Pipi, Kacka, Hämorriden, Menstruationsblut, Sperma und sonstigem Schleim vermarkten. Zum einen scheint es einen Zwang zur Vermehrung zu geben. Zum andern scheint es aus bevölkerungs- und wirtschafts-politischen Gründen unausweichlich zu sein, sich periodisch gegenseitig abzuschlachten. Mit 65 Jahren erlischt der Trieb zum Vögeln; mein Trieb zum Töten beschränkt sich auf Mücken.

Mir reicht meine Tagesreise von Jena nach Eberstedt mit gerade einmal 30 Kilometern.  Die Straßen durch das Saale-Tal sind klein, eng und wenig befahren. Die Dörfer lassen Raum zum Parken.  Diese Brücke, welche nur noch Fußgänger und Radfahrer trägt, steht in Dornburg.


Die Schlösser in Dornburg sind sehenswert, wie ein Blick durch das Tele-Zoom der Kamera zeigt.


In Eberstedt ist mittags das Ziel meiner Reise erreicht. Schwimmende Unterkünfte kann sich der Tourist dort mieten. Eine alte, renovierte Ölmühle als Hotel und Gasthof kümmert sich um Kunden.


An der Ölmühle in Eberstedt lädt zwar ein freier Stellplatz zum Verweilen ein. Doch dort an der Ilm gibt es weder Radio- noch Internet-Empfang. Meine Mittagsruhe stört ein überdimensionierter Rasenmäher mehr noch als das Blöken von Eseln an der Ilm.  Wer sich in Eberstedt langweilt und sich daher besäuft, dem droht die Ausnüchterung in dieser engen Zelle.


Um dem Schicksal zu entgehen, geht es nach einem opulenten Mittagsmahl noch einmal 10 Kilometer weiter in belebtere Gefilde.  In Bad Sulza, an der Grenze von Thüringen zu Sachsen-Anhalt, fällt mir diese Villa auf. Die Renovierung ist im vollen Gang, zieht sich aber noch über einige Jahre mit beträchtlichem Millionenaufwand hin.


Bei Stendorf liegt ein lauschiger WoMo-Stellplatz direkt an der Saale. Schon zweimal hat es mich dorthin gezogen. Man blickt dort von Saaleck auf die Saaleburgen. Die Rudelsburg hat Geschichte gemacht. Zur Abwechselung wähle ich den Campingplatz in Bad Kösen. Von dort aus ist die Rudelsburg keine zwei Kilometer weit entfernt.


Doch zuvor findet das Gradierwerk in Bad Kösen meine Bewunderung. Hier wurde und wird noch seit 1730 Salzsole aus 175 Meter Tiefe gefördert. Viermal läuft die 5,25 prozentige Salzbrühe über die Schwarzdornzweige, von dem doppelstängigen Holzantrieb immer wieder in die Höhe gepumpt. Durch Verdunstung erhöht sich der Salzgehalt der Brühe bis auf 20 Prozent, die dann eingedampft wurde. In der Brühpfanne blieb das Salz zurück, ohne das Mensch und Vieh nicht auskommen.


Man beachte das Holzgestänge an der Seite. Bei jedem Vor- und Rückschub der Holzstangen bewegen sich Stützstangen in Gelenken am Boden. Diese Metallgelenke verringern Reibungsverluste. Ein Wasserrad der Saale treibt die bald 400 Meter langen Holzstangen. Der Klapperatismus treibt Pumpen an, welche zum einen die Sole aus der Tiefe und zum andern auf den Scheitel des Gradierwerks befördern.


Eine Dame in der Basisstation des Pumpwerks erklärt mir den Mechanismus mit viel Elan und großer Sachkenntnis. Ihr Dienstfahrzeug schmückt die Website zu ihrem Arbeitsplatz.

Wer sich für die Feinheiten des Jahrhunderte alten Mechnismus interessiert, findet auf der Seite

www.sole-salz-world.de

weitere Einzelheiten.


Durch dieses Fachwerkhaus führt der Holzantrieb für die Pumpen des Gradierwerks und für die Förderung der Sole. Das Wasserrad an der Saale steht etwa 10 bis 15 Meter entfernt von dem Gebäude. Man sieht, wie auf der rechten Seite Holzstangen in das Gebäude führen, die auf der linken Seite weiter zum Gradierwerk gehen. Im Haus wird der Holz-Stangen-Pumpen-Antrieb noch in einem Winkel von etwa 30 Grad umgelenkt.


Auf meinem Abendspaziergang zur Rudelburg sind mehrere martialische Denkmäler zu bewundern. Was in Feuchtgebieten gezeugt war und aus Feuchtgebieten kam, etwa 20, 30 Jahre heranwuchs, sich in Mordgebieten metztelte, daran erinnern martialische Denkmal-Dokumente wie verfallene Burggemäuer.


Die Rudelsburg inspirierte Franz Kugler zu seinem berühmten Lied:

An der Saale hellem Strande
stehen Burgen stolz und kühn
Ihre Dächer sind zerfallen,
und der Wind streicht durch die Hallen,
Wolken ziehen d´rüber hin.

Zwar die Ritter sind verschwunden,
Nimmer klingen Speer und Schild;
Doch dem Wandersmann erscheinen
In den altbemoosten Steinen
Oft Gestalten zart und mild.

Droben winken schöne Augen,
Freundlich lacht manch roter Mund,
Wand'rer schaut wohl in die Ferne,
Schaut in holder Augen Sterne,
Herz ist heiter und gesund

Und der Wand´rer zieht von dannen
Denn die Trennungsstunde ruft
Und er singet Abschiedslieder
Lebewohl tönt ihm hernieder
Tücher wehen in der Luft.


Die Rudelsburg beeindruckt mich im Licht der untergehenden Sonne.

 
Der Blick von der Rudelsburg auf die beiden Saale-Brücken bei Saaleck. Ein Eisenbahnzug hat gerade die Brücke verlassen, ein anderer fährt gerade darüber. Der Lärm der Züge hallt länger durch das sonst stille Tal.
 
 
Bismark in einem Standbild, welches ihn als Studenten vor einer Tonsur zeigt. Den Säbel hält er in der Hand. Bismark hat dem Bau dieses Denkmals zugestimmt.
 
 
Der Corps-Geist der Studenten setzt sich sektenartig gegen Menschen anderer Anschauung und anderer Aufgaben ab.
 
 
Ein weiteres phallisches Denkmal bei der Rudelsburg, welches wie die andern auch, vor dem ersten Weltkrieg entstand. Denkmäler nach den Weltkrieger sehen auch nicht viel anders aus. Nur die Soldatenfriedhöfe wuchsen mit den Menschenmassen, die das Metzeln mordete.
 
 
Die Schlachten bei Jena und Auerstedt 1806 und der deutsch-französische Krieg 1870/71 erscheinen mir, als hätten sie die Menschen auf die Weltkriege 14/18 und 39/45 vorbereitet. Diese Weltkriege scheinen uns nach kurzem Kriegs-Geplänkel wie in Vietnam, Bosnien, Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien, Ägypten auf weitere Mordabenteuer einzustimmen. Doch die niedrige Fertilitätsrate in westlichen Ländern scheint gute Garantie zu geben, dass eher Roboter und Drohnen das Mordsgeschäft von Industrie, Wirtschaft und Bevölkerungspolitik erledigen als Männer an der Front.
 
 
Doch einige junge Familie, wie meine Nachbarn auf dem Platz in Bad Kösen, sorgen sich immerhin noch um Nachwuchs. Ein historisches Allrad-Fahrzeug, dieser Hanomag, bietet mit Wohnaufbau den Eltern mit ihren beiden kleinen Kindern Platz.
 
 
Einen Familienausflug mit vier Personen im Hanomag zu erleben, braucht schon eine ausgetüftelte Organisation.
 

Immer wieder Feuchtgebiete: Zahlreiche Campingplätze verfügen über Landestege, so hier der Campingplatz Rudelsburg in Bad Kösen. Auch der Campingplatz in Naumburg kann der Wasserwanderer mit seinem Boot ansteuern.


Hier ist das "Maschinenhaus" an der Saale. In dem treibt ein unterschächtiges Wasserrad mit einer Leistung von etwa 40 PS über Kurbelwellen die Holzstangen für die Pumpen an.


Das Wasserrad für den Pumpenantrieb, der die Sole aus der Erde bis auf den Scheitel des Gradierwerks befördert.

Das Therapiezentrum in Bad Kösen: Nur morgens und abends ist das Solebad für den Publikumsverkehr geöffnet. In der restlichen Zeit kurieren sich dort die Kranken.

Beim Campingplatz "Blütengrund" in Naumburg fließt die Unstrut in die Saale. Hier sieht man die Mündung.


Naumburg ist für seinen Dom und den "Naumburger Meister" berühmt. Dieser Steinmetz- und Architektur-Meister brachte zum einen die französisch gotische Baukunst ins Land. Zum andern hat der Meister Figuren gemeißelt, deren Gesichtszüge, Haltung und Bewegung Gefühle ausdrücken. Das war neu vor 1000 Jahren. Der Naumberger Meister ist als Handwerker unbekannt geblieben. Die Namen der Sponsoren, welche mit ihren Spenden sich einen guten Platz im Paradies erkauften, sind natürlich erhalten.


Mehr als zwei Stunden wirken diese Geschichten aus dem Mittelalter auf mich, die Figuren, die Architektur, die Entstehung.


Über den Marktplatz von Naumburg flitzt ein kleines Mädchen geschickt mit ihrem Kinderfahrrad.


Das Nietzsche-Denkmal: Der Philosoph und das Mädchen.
 
Eine Fahrrad- und Fußgängerfähre schiebt die Strömung beim Campingplatz Blütengrund über die Saale.
 
 1813 - 1913 - 2013
 
Eine merkwürdige Folge von Jahrhundert-Daten: 1813 war die Völkerschlacht in Leipzig. 500.000 Mann standen gegeneinander, jeder Fünfte starb in dem Gemetzel. 1913 weihten die Menschen ihr "Völkerschlacht-Denkmal" ein, ein gewaltiges Werk aus Beton mit Natursteinen verkleidet, 91 Meter hoch. Es sollte das größte Denkmal in Europa sein, es sollte der größte Kopfbahnhof gleichzeitig in Leipzig eingeweiht werden. Ein Jahr später kamen vier Weltkriegsjahre, die das Gemetzel der Völkerschlacht um Potenzen toppten Gedanken zwischen Feucht- und Mordgebieten kommen auf, wenn man über den "See der Tränen" auf das gewaltige Denkmal blickt.
 
 
Ereignisse aus den beiden Weltkriege sind ja dauernd auf unserem Schirm, dem Bildschirm, wenn man sich dafür interessiert. Dass es 1813 eben ähnlich war, verliert sich dann leicht in der Geschichte. Doch meine unmaßgebliche Meinung zu den Ereignissen, wie auch am Vorabend des Vernichtungswaffen-Einsatzes westlicher Streitkräfte in Syrien, steht fest: Wenn die herrschenden Eliten, die Ein-Prozent der Entscheider, aus wirtschafts- und bevölkerungspolitischen Gründen den Krieg bestimmen, kommt Krieg. Da können "wir" unterschreiben, demonstrieren, plakatieren, Pamphlete und kunstvolle Comics komponieren, es bleibt dabei: Wenn die herrschenden Eliten, die Ein-Prozent der Entscheider, aus wirtschafts- und bevölkerungspolitischen Gründen den Krieg bestimmen, kommt Krieg.

 
Mich, mehr und mehr zynisch gestimmt, belustigen diese Vergnügungen kranker Eliten nur noch. Obgleich meine kleine Frau meine Füße oft als Quadratlatschten schmäht, sind sie winzig gegen die monumental Fantasien dieses Bildhauers im Völkerschlachtdenkmal von Leipzig.
 
 
Den Westflügel im Naumburger Dom betritt man unter dem Steinbild des Gekreuzigten. Dies Monumental-Monument in Leipzig betritt man unter dem Schwert des Kriegshelden.


 Diesen strammen Stein-Koloss bestaunen Besucher seit 1913. Doch der Terminator Maximus, Kaiser Wilhelm II, endete als Gast der Holländer, der sich beim Holzhacken fit hielt. Der danach folgende Volks-Verführer hat keine Denkmäler. Seine Symbol-Sprache verfolgen die Strafbehörden, als verfassungsfeindlich.
 
 
Diese Ruhmeshallen-Kunst zur Volkserziehung und Volksertüchtigung mag feiern, wer will. Mich belustigen diese gigantischen Geisterbahnen volkstümelnder Steinhaufen-Kunst.
 
 
Der Blick von der Empore ist großartig, muss man den Baumeistern lassen. Aber...
 
 
Auf- und Abgang durch die Ampel geregelten Beton-Gang-Schächte bleiben beklemmend. Sie geben schon den Vorgeschmack für die Betonfluchtburgen in den Städten vor den Luftangriffen, vor den Beton-Silos an allen Fronten, die heute als gesprengte Trümmer erst in Jahrtausenden zu Sand zermahlen sind.
 
 
Der Mensch ist nichts, das Reich ist alles. Sklaverei in Stein, mehr fällt mir dazu nicht mehr ein.
 
 
Gegen diese Ruhmeshalle aus dem Völkerschlacht-Denkmal in Leipzig sollte man sich den Westflügel des Domes in Naumburg vor Augen halten. Diese bald 1000jährige Architektur der ersten Gotik in Deutschland ließ Licht auf die Menschen fallen. Was die Menschen in Leipzig 1913 als Völkerschlacht-Denkmal eingeweiht haben, ließ Schatten eines dreißigjährigen Krieges der Dunkelheit ahnen. Was uns jetzt 2013 beschäftigt, für mich sind es Gedanken zwischen Feucht- und Mordgebieten. Genug.
 

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