11 März 2013

Batalha - Fatima - Tomar - Lissabon

Festgefahren in Coimbra - Am Atlantik in Figueira da Foz  - Kathedrale in Batalha - Tropfsteinhöhle Moeda -Wallfahrtsort Fatima -  Templerburgen in Tomar und Almourol - Lissabon

Morgens Gewitter. Abends Gewitter. Die Walkuh gräbt sich im nassen Gras ein. Adolf muss den 3,5-Tonner rausziehen. Wenigstens haben wir es bislang geschafft, zwischen den Regengüssen uns trocken in Gaststätten oder ins Auto zu retten.




Zwei Tage und Nächte standen wir in Coimbra auf dem komfortablen Campingplatz. Weil der WiFi-Zugang  in Eingangsnähe liegt, stand die Walkuh auf nassem Rasen. Das morgentliche Gewitter schaufelte wieder 50 Millimeter Wasser auf das Gras. Aus der nassen Grasbrühe kam die Walkuh nicht mehr raus.


Zum Glück hat Adolf ein Abschleppseil. Da er das Differential seines Hinterradantriebs sperren kann, fährt sein Sprinter recht mühelos aus dem Grassumpf. Auch das Schleppen von Anhängerhaken zu Anhängerhaken klappte, bis die Walkuh wieder festen Straßenbelag unter den Rädern hatte.


Auf der Schnellstraße sind 50 Kilometer zwischen Coimbra und Figueira da Foz schnell zu schaffen. Auf kleinsten Nebenstrecken bemerkt man erst, wie hübsch öffentliche Wasserstellen den durstigen Reisenden versorgen.

Burgen und Mädchen, meint - frei nach Goethe - müssen sich geben. Aber es kommt keine Lust auf, das alte Gemäuer zu besteigen unter regengrauen Märzenhimmel. Das schmuddelige Wetter daheim, was man dem April nachsagt, "April, April, der mache, was er will", das Wetter gibt es hier in Portugal 2013 schon im März.


Wir sind auf dem Campingplatz in Figueira da Foz angekommen. Wir wundern uns, wie manche Autofahrer ihre Fahrzeuge bewegen. Besonders der Verkehr in den zahllosen Kreiseln hält gefährliche Fallen bereit. Ein Kleinwagenfahrer zwingt mich im Kreisel zur Notbremsung, weil er unbedingt vor mir noch ausfahren will. Ein anderer knallt versonnen in schläfriger Mittagslaune einem anderen Fahrer im Kreisel in die Seite. Blech bricht krachend. Nichtsdesto trotz sind wir endlich unbeschadet angekommen. Wunder, über Wunder: Sonne! Die Temperatur steigt sogleich in geradezu ungewohnte, beinahe schon unangenehme Höhe. Das Meer in 15 Meter Entfernung prallt gegen die Deichmauer. Die Luft bekommt einen salzig erfrischenden Geschmack.


Der Atlantik spült neben dem Canpingplatz auf einen weichen Sandstrand. Dafür soll Figueira da Foz, was Fig-Foz sich abkürzt, berühmt sein. Bei längerer Sonnendauer wäre schon ein erstes Bad zu wagen.


Doch wir nutzen lieber die Sonnenstunden, um per Fahrrad die Autobahnbrücke über den Rio Mondego zu überqueren. Jeder neue Ort bietet spannende Attraktionen. In diesem Fall ist die Überquerung der Brücke neben rollenden Riesenlastern in Höchstgeschwindigkeit schon Abenteuer genug.


Vom Scheitelpunkt der Autobahnbrücke blicken wir auf die Mündung des Mondegos. Die Sonne steht schon tief. Die aufziehenden Wolken beachten wir nicht weiter.



"Figueira da Foz" heisst "Feigenbaum an der Mündung". Der Ort kündigt sich groß an. Doch solche Bildchen schafft man leichter, wenn man in den Ort mit dem Fahrrad einfährt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Figueira_da_Foz

Wiki erzählt weiterhin, dass an diesem beschaulichen Örtchen schon im Neolithikum Menschen gesiedelt haben. Das war vor 12.000 Jahren.


Briefkästen sind in Portugal rot. Dies Feuerwehrhaus ist blau wie der Himmel, der nicht mehr lange blau bleiben sollte.



Gemächlich genießen wir unseren Kaffee mit Blick auf den Hafen. An anderen Ufer des Mondego liegt in nächster Nachbarschaft der Campingplatz. Den erreichen wir allerdings nur über die Autobahnbrücke im Hintergrund. Nach unserer Kaffeepause bemerken wir, wie schwarz sich der Himmel verfinstert. Wir schaffen es gerade noch, trocken zum Campingplatz mit großer Geschwindigkeit angestrengt zu radeln. Mein Klapprad kommt ohne einen Regentropfen in den Stauraum unter dem Bett. Dann geht es auch schon wieder los. Das abendliche Gewitter schüttelt mit donnernder Kraft den Wagen. Der Regen pladdert auf die Dachluken. Dies große Regenkonzert übertönt das Rauschen des Atlantiks. Ohnehin hält man bei dem Wetter alle Schotten dicht, Regen- aber nicht Schalldicht.

Die Nacht am Meer in "Fig.Foz" hat genug Energie für eine aufregende Reise am Samstag gesammelt. Es stehen auf einer Strecke von etwa 125 Kilometer vier Ziele auf unserem Programm:

- die Kathedrale von Bathala
- die Grutas da Moeda
- der Wallfahrtsort Fatima und
- die Templer-Ritterburg Tomar



Das erste Ziel, Batalha, ist erreicht. Dies Bauwerk beeindruckt mit den ungeheuerlichen Dimensionen. Das Kirchenschiff hat Dimensionen,  um einen Zeppelin darin zu bauen. Reinhard Schulz schreibt im WoMo-Führer dazu:

"...das Meisterwerk von Afonso Domingues is so breit gespannt und statisch gewagt, dasss der Meister selbst mehrere Tage unter dem zentralen Schlussstein wohnte, um Vertrauen in seine Bautechnik zu demonstrieren."



Batalha: Es ist ein langer Fußmarsch rund um dies Bauwerk. Die Portugiesen haben mit dem Bau 1388 begonnen. Es war ihr Dank für den überraschenden Sieg über die überlegene, spanische Armee in der Schlacht vom 14. August 1385. Es zeigt sich wie im Bau der Kathedrale im französischen Albi: Am Besten lässt sich die mörderische Zeitgeschichte mit sakralen Großbaustellen im Gedächtnis bewahren.


Gigantomanie ist nicht erst eine Erfindung der Neuzeit. Auch im Mittelalter gab es schon, das Höher, Weiter, Größer - noch nicht jedoch das "Schneller".


Wo ein Sakralbau, da ein Standbild. Militär und Gebet, Gemetzel, Meucheln und Heucheln: Durchgängig orgelt dies Konzert vom Mittelalter bis in die heutige Zeit.



Es gibt kaum eine Kinderstube mehr, wo die Kleinen nicht mit geflügelten Plastikmonstern spielen. Die Steinmetze im Mittelalter meißelten ähnliche Fantasien noch in Stein. Schließlich müssen geflügelte Monster hinter Engelchen fliegen und diese fangen.

Wenn der Frondienstleistenden oder Steuerpflichtige im Mittelalter durch diese Tür zur Predigt und Buße trottete, fühlte er sich wie ein Schuldner heute, der seinen Bankster um Kredit bittet.



Um die schier endlosen Dimensionen dieser Halle zu fotografieren, braucht man wahrscheinlich ein Fischaugen-Objektiv.

Grutas da Moeda



Bescheidenen sind die Räume in der Tropfsteinhöhle.



Obgleich die Höhlenräume vergleichsweise klein sich ausnehmen gegen den gigantischen Kathedralenraum von Batalha, sind diese Gebilde und Farben nicht weniger beeindruckend.



Die Menschen mögen an den Kathedralen im Mittelalter jahrhunderte lang arbeiten, und sie arbeiten daran noch heute, diese Werke zu erhalten. Die Natur lässt einen Stalakmiten in 1000 Jahren gerade mal einen Zentimeter wachsen.

Fatima


Fatima: Der super-duper Heiligen-Hype!



Keine Sekte, ob groß, ob klein, kommt ohne wunderbare Stories aus.
Keine Sekte, ob groß, ob klein, kommt ohne Devotionalien aus.



"Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die Weite Welt" - in Fatima am besten auf Knien.



Der klerikale Geschäftsbetrieb veranstaltet Gottesdienst mehrmals am Tag. Eine ausgezeichnete Lautsprecheranlage beschallt den Platz im Ausmaß des Nürnberger Reichsparteitags-Geländes mit elysischen Engelsklängen.




Technisch sind solche Plätze eher leicht anzulegen, Gebäude leicht hochzuziehen. Das wirkliche Wunder ist, dass sich diese Plätze bis heute immer noch mit Menschen wie in Fußballstadien füllen lassen.



Menschen aus etwa 20 bis 30 Bussen und alle parkenden PKWs füllten den Platz vielleicht gerade mal zu fünf Prozent.



Kein Bauwerk dieser Dimension ohne Standbild: In Fatima schaut den Pilger gnädig ein Säulenheiliger, aus der Phalanx der Päpste, an.



Das Kreuz drückt auf die Krone. Die Krone drückt auf den Kopf. Der Kopf drückt auf die Menschen. Und der Fisch stinkt vom Kopf, spricht der Volksmund.


Wie in jedem Film spielt auch sakrale Kunst zumeist mit dem Kontrast, dem Kontrast von Licht und Schatten.




Wie Diktatoren sich gerne dabei ablichten lassen, kleine Kinder zu tätscheln, so ist es für das Klerikal-Personal wichtig, sich auf einfache und eingängige Heilsgeschichten zu berufen wie auf einen unehelichen Zimmermannsohn oder Hirtenmädchen mit Marien-Erscheinungen.


Tomar




In Tomar steht auf einem Hügel die Templer-Ritterburg, deren Bau im Jahr 1162 begann. Meine Nacht unter diesem Gemäuer war ein Alptraum. Abfahrende Autos vom Parkplatz unter der Burg, die Schreie eines Nachtkauz und das Schlimmste: Ein Wein mit 15 Prozent Alkohol muss mein Körper mit höchster Bedachtsamkeit und mein Geist mit größtem Bewusstsein genießen. Solch ein Wein ist kein Getränk sondern eine Art Medizin. Doch dann: Mit großer Freude sieht am andern Morgen die dunkle Burg freundlich aus. Personen über 65 Jahre zahlen dort den halben Eintritt. Doch auch wer volle sechs Euro zahlt, sollte das Gebäude, das Burggelände erforschen. Es lohnt.


Um 9.00 Uhr portugiesischer Zeit öffnet das Weltkulturerbe-Monument die Burgtore. Eine gepflegte Sanitäranlage schätzt der Reisende, mit deren Besuch die Entgiftung meines übersensibilisierten Körpers weitgehend abgeschlossen ist. Doch zurück zum Regengrauen Nachmittag und dem Rundgang durch das Gemäuer.


Vor dem Eingangsportal schon mag der Betrachter lange verweilen. Die Steinmetz-Meister haben in Jahrzehnten aufopferungsvoller Mühen nahezu unvergängliche Werke geschaffen.


Auch wenn der Regen prasselt und strömt, findet der Burgbesucher unter diesen Arkaden Schutz. Ganz gewaltig kontrastieren Licht und Schatten bei höchstem Sommersonnenstand.



Die Natur will sich das Gelände zurück erobern. Der Zahn der Zeit nagt selbst an dicksten Mauern. Mittlerweile sanieren die Verantwortlichen dies einzigartige Zeitdokument im Weltkulturerbe-Status mit großer und auch Gewinn bringender Mühe. Ein zweiter nobler Parkplatz ist angelegt. Ein Touristen-Eingangszentrum wird gebaut.


Neu eingehängt sind auch die Glocken im Turm. Doch deren Klang hat meine Nachtruhe unter der Burg nicht gestört. Denn sie haben nur das Ende der Besuchszeit am Abend eingeläutet.


Man möchte Bildbände mitschleppen, um die Erinnerungen an diese gewaltigen Eindrücke daheim als Buch ins Regal zu räumen. Doch nichts kann das Staunen ersetzen, wenn man von Raum zu Raum sich neuen Wundern offenen Sinnes aussetzt.



Die Sitzflächen im Chorgestühl sind klappbar. Denn obgleich nur die Granden der Gemeinde dort sitzen, haben diese doch sich aufzustellen, wenn der Größte der Großen dies anwinkt. Über allem in der Autorität einfordernden Architektur steht bei einem Mönchsorden der Herr Gott.


Wo Mächtige sich solche Steinstrukturen schaffen ließen, da mangelte es ihnen an nichts. Sie haben sich gleich Bankstern heute in den Hochetagen ihrer Glaspaläste als Meister ihres Universums gefühlt.



Arbeiter und Handwerker hatten für Jahrzehnte Lohn und Brot bei den Auftragsgebern. Denn diese schweren und anspruchsvollen Werken lassen sich nicht für "Gottes Lohn" errichten. Ackerbau und Viehzucht, Fischfang und Jagd sicherten die Arbeitskraft der Schaffenden.



Wir betrachten in der Hochetage, also über dem Innenhof, die Klosterkirche innerhalb der Burganlage.


Was wollten uns die Steinmetze mit diesem zugeschnallten Gürtel über einem Tragpfeiler andeuten?


Der Ausdruck dieser Skulptur spricht eine deutliche Sprache: "Guck nicht, Du blöder Hund, Ora et labora", also "arbeite und bete!" Auf mein Hier-und-Hetz übertragen: Mach den Bericht für Deine Liebste daheim fertig und erinnere Dich später an diese Pracht und Herrlichkeit in einem Land, wo viele Häuser verfallen und noch mehr zu verkaufen sind.


Nach des Tages Plag' und Müh' versammelten sich die frommen Betbrüder zu ihrem kargen Mahl. Ungestört für die Sorge um Weib' und Kind' galt ihr Streben und Schaffen diesen Steinen sowie der Bekehrung Ungläubiger wie derer dort in Jerusalem. Beispielsweise. Später zogen die Heiligen Kriegen dann nach Südamerika, um Rohstoffe gegen Bibeln zu tauschen. So blühte der Kontinent, das alte Europa. Auf. Mittlerweile baut er mehr ab.




Da uns der Kaffee auf der Burg zu teuer ist, da wir auch den Ort wechseln wollen, steigen wir vom Hügel der Heiligen Hallen in das profane Weltenleben hinab, wo uns in angenehmer Bahnhofsatmospäre das Erste Haus am Platz fürstlich bewirtet - WiFi eingeschlossen.


Ein Gutes haben die dauernden Schauer: Sie verschaffen dem Himmel eine ausdrucksstarke Koloratur. Ein besonderer Lichtblick zwischen den Regenpausen sind eindrucksvolle Regenbogen, die sich über die grünende Landschaft spannen.


Nach soviel Schnuppern an Steinen mag man seinen "Gallo", einen Milchkaffee, auf diesen wippenden Stahlrohrmöbel genußvoll schlürfe. Der ereignisreiche Tag wäre perfekt in eine ruhige Nacht gemündet, wenn meine Vernunft die Gier nach dem Rotwein mit 15 Prozent Alkohol  gezügelt hätte.

Almourol



Wenige Kilometer weiter führen uns die Koordinaten des Navis laut WoMo-Reihe Band 23 an diese weitere Templer-Burganlage. Der im Buch versprochene Fährmann allerdings bleibt - mangels Kundschaft und wegen Hochwasser aus. Da auch das Kaffee geschlossen und außer uns ohnehin niemand diesen Platz gebucht hat, regeneriert sich mein Körper weiter bei einem köstlichen Salat.



Bei diesem Burgblick über den rauschenden Fluss lässt sich gut speisen. Immerhin ist danach mein Körper soweit wieder intakt, dass ihm die letzten 140 Kilometer bis Lissabon auf Landstraßen zuzumuten sind.


Diese kilometerlange Brücke über den Tejo ist nur einspurig zu befahren. Ein Schwerlastwagen, der in Portugal kein Sonntagsfahrverbot kennt, donnert mit hoher Geschwindigkeit und aufgeblendeten Scheinwerfer mir entgegen. Das reichte, um mich vor der Einfahrt in die Brücke zu stoppen.


Die politisch vielleicht heute nicht mehr ganz korrekte Skulptur erwartet den Besucher bei der Einfahrt in den vielfach mit Sternen ausgezeichneten Campingplatz von Lissabon. Der Platz mit Strom und solider Internetverbindung kostet das Doppelte vom unbefestigten Platz im Wald ohne Strom und Internet. Doch Skype-Telefonie mit der Liebsten in München und die Web-Verbindung zur Welt sind mir das Geld wert.


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